AG Köln: Ersetzung der Einwilligung der leiblichen Eltern in eine Adoption

Mit Beschluss vom 27.12.2006 (Aktenzeichen 60 XVI 118/06) hat das Amtsgericht Köln die Einwilligung von leiblichen Eltern in die Adoption eines Pflegekindes wegen gröblicher Pflichtverletzung und Gleichgültigkeit der leiblichen Eltern ersetzt. Das Amtsgericht hat damit die (inzwischen vollzogene) Adoption des Kindes durch die Pflegeeltern auch gegen den Willen der leiblichen Eltern möglich gemacht. In seinem Beschluss führt das Gericht aus:

„Der Ersetzungsantrag ist begründet. Die nach §§ 1747 Abs. 1 Satz1, 1750 BGB zur Kindesannahme erforderliche Einwilligung der leiblichen Eltern muss durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden, weil beide Eltern nach ihrer Erklärung im Anhörungstermin nicht bereit sind, eine solche Erklärung abzugeben. Mit einer Änderung ihres Standpunktes, den sie beharrlich beibehalten haben, ist im Hinblick auf die Vorschichte nicht mehr zu rechnen.

Auf Antrag des betroffenen Kindes, das dabei von dem Jugendamt (…) gesetzlich vertreten wird, hat das Vormundschaftsgericht gemäß § 1748 I und II BGB die Einwilligung der leiblichen Eltern in die Adoption zu ersetzen. Beiden Eltern ist in ihrem Verhalten gegenüber dem Kind sowohl eine anhaltend gröbliche Pflichtverletzung als auch eine Gleichgültigkeit vorzuwerfen. Die Schwere und anhaltende Pflichtverletzung ergibt sich aus den Gründen, die zum dauerhaften Entzug des Sorgerechtes für (das Kind) im Beschluss des Familiengerichtes (…) geführt haben. Hierzu hat das Familiengericht zur vollen Überzeugung des jetzt erkennenden Gerichtes, gestützt auf die vorangegangenen Erkenntnisse, ausgeführt:
„Die Kindesmutter ist nicht erziehungsfähig. Die geschilderten Vorfälle (…) haben deutlich gemacht, dass die Kinder im Haushalt der Kindesmutter gefährdet sind. Den Kindern fehlt es an ausreichender Betreuung und Versorgung. Sie werden stattdessen geschlagen, nicht ausreichend ernährt und zeitweise eingesperrt. Unerheblich ist, wer die Kinder schlug; sollte Herr X. sie geschlagen haben, so hätte die Kindesmutter jedenfalls gezeigt, dass sie nicht in der Lage ist, ihre Kinder zu schützen“.

Weiter heißt es auf Seite 6 des Beschlusses:
„(Die Kindesmutter) ist nicht in der Lage, die Kinder angemessen zu versorgen. Beide Kinder haben Defizite in der Ernährung und sind verhaltensauffällig. Das Kindeswohl ist im Hauthalt (der Kindesmutter) gefährdet. Bereits in der Vergangenheit war die Herausnahme der 3 weiteren, älteren Kindern (der Kindesmutter) notwendig, weil sie nicht in der Lage war, jene angemessen zu versorgen und zu betreuen. Der Bericht der Polizei (…) zeigt, dass der Zustand in der Wohnung für die Kinder nicht zumutbar ist. Neben hygienischen Mängeln in der Wohnung wurde die Vernachlässigung der Kinder deutlich (…). Dies alles belegt zur vollen Überzeugung des Gerichtes, dass beide Elternteile massiv und anhaltend ihre Pflichten gegenüber dem Kind verletzt haben. Einer weiteren Gefährdung des Kindeswohles konnte nur durch die Inobhutnahme des Kindes begegnet werden, um noch schwerere und bleibende Schäden zu vermeiden. Sowohl die Vorgeschichte als auch das spätere Verhalten der Kindeseltern zeigen, dass es sich nicht etwa nur um ein vorübergehendes Versagen in einer einmaligen Krisensituation handelte. Der Kindesmutter musste das elterlichte Sorgerecht schon für ihre 3 älteren Kinder, die inzwischen zu Adoptionseltern kamen, entzogen werden (…).

Angesichts der massiven Pflichtverletzungen beider Eltern ist ihre inzwischen hinzugetretene Gleichgültigkeit gegenüber (dem Kind) nur ein weiterer Grund für den Entzug des Elternrechts. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die leiblichen Eltern den für September 2005 vereinbarten Umgangstermin wegen einer plötzlichen Erkrankung nicht wahrnehmen konnten und dies dem Jugendamt auch mitgeteilt haben. Selbst wenn eine solche Rückmeldung bei dem Jugendamt unterstellt wird, müssen sich die Eltern jedenfalls vorhalten lassen, dass sie in dem folgenden Zeitraum von inzwischen 15 Monaten keine ernsthaften Anstrengungen unternommen haben, um wieder einen Kontakt mit ihrem Kind herzustellen. Die Eltern widersprechen außerdem nicht der Darstellung des Jugendsamtes, dass sie auch sonst in diesem langen Zeitraum nichts für ihr Kind getan haben. Insbesondere haben sie trotz mehrfacher Anfrage und Erinnerung nie Fotos für das Kind beigebracht und sich nicht einmal telefonische nach der Entwicklung des Kindes erkundigt. Dies zeigt ein völlig fehlendes Interesse an dem Kind und seinem Wohlergehen.

Da die Gleichgültigkeit der Eltern zugleich eine anhaltende gröbliche Pflichtverletzung ist, kommt es auf die weiteren formalen Voraussetzungen für eine Ersetzung ihrer Einwilligung nach § 1748 II BGB nicht an. Diese sind im übrigen aber auch durch die mündliche Belehrung des Jugendamtes vom 07.06.04 und zusätzlichem Schreiben vom 08.10.04 erfüllt.

Unter diesen Umständen ist die Einwilligung der Kindeseltern zu ersetzen, weil ein Unterbleiben der Annahme dem betroffenen Kind zu einem unverhältnismäßigen Nachteil gereichen würde (§ 1748 Abs.1. letzter Halbsatz BGB). Nach dem anschaulichen Bericht des Jugendamtes leidet (das Kind) infolge der frühkindlichen Vernachlässigung im elterlichen Haushalt noch heute trotz großer Entwicklungsfortschritte an phasenweise auftretenden Verhaltensstörungen. Sie fühlt sich jedoch in ihrer Pflegefamilie sicher und geborgen und kann dort ihre notwendigen Bedürfnisse ausleben.

Dieser Zustand ist aber noch nicht hinreichend abgesichert. Erst durch die beantragte Adoption wird eine vollständige, auch rechtlich sichere Integrierung des Kindes in den Familienverband gewährleistet. Ohne diesen rechtlichen Schritt könnten die leiblichen Eltern den von ihnen wiederholt bei richterlichen Anhörungen geäußerten Wunsch, das Kind wieder in ihren Haushalt zurückzunehmen, umzusetzen versuchen. Auch könnten die Pflegeeltern ihrerseits von sich aus das Pflegeverhältnis abbrechen. Eine dauerhafte Lebensperspektive für (das Kind), die noch heute an den Folgen der Vernachlässigung in ihrer ersten Lebensphase leidet, kann erst durch die beantragte Adoption geschaffen werden. Bei Abwägung dieser Interessen des Kindes gegenüber den Elternrechten müssen letztere zurücktreten weil das Kindeswohl sonst massiv beeinträchtigt würde und die Eltern ihrerseits durch gröbliches Versagen erst den jetzigen Zustand herbeigeführt haben“.

Anmerkung:
Anerkanntermaßen ist die Adoption eines Pflegekindes die bestmögliche juristische Absicherung für das Kind, natürlich auch für die Pflegeeltern. Eine Adoption setzt grundsätzlich jedoch eine Einwilligung des Kindes, vertreten durch den Sorgeberechtigten, eine Einwilligung der Pflegeeltern und nicht zuletzt eine Einwilligung der leiblichen Eltern voraus. Zusätzlich muss die Adoption dem Kindeswohl dienen. Der Gesetzgeber hat mehrfach hervorgerufen, dass bei dauerhaften Pflegeverhältnissen nach Möglichkeit versucht werden soll, das Pflegekind durch eine Adoption noch besser abzusichern. Dies ergibt sich etwa aus § 36 I.2 SGB VIII, wonach vor und während einer Dauerpflege zu prüfen ist, ob die Annahme als Kind in Betracht kommt. In der Praxis scheitern Adoptionsbemühungen jedoch häufig an den fehlenden Einwilligungen der leiblichen Eltern, auch wenn diese sich ansonsten ihrem Kind gegenüber gleichgültig zeigen. Grundsätzlich – und sicherlich zu Recht – ist eine Adoption gegen den Willen leiblicher Eltern nur schwer möglich. Nach § 1748 BGB können jedoch solche verweigerten Einwilligungen vom Vormundschaftsgericht auf Antrag ersetzt werden, wenn die entsprechenden Gründe vorliegen. Solche Gründe können etwa anhaltende gröbliche Pflichtverletzungen der leiblichen Eltern gegenüber dem Kind sein oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind trotz Belehrung über die Folgen. Das Amtsgericht Köln hat in der oben zitierten Entscheidung diese Voraussetzungen bejaht und dabei in vorbildlicher Weise eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung getroffen, welche insbesondere auch das besondere Bedürfnis des Pflegekindes nach einer rechtlichen Absicherung, gerade auch nach den erlittenen Vernachlässigungen, hervorhebt.

Quelle: RA Steffen Siefert

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